Persönlichkeit entwickeln

Die abenteuerliche Reise vom vom unreifen Jüngling zum gereiften Mann

Das Modell der Archetypen will uns dabei Hilfestellung geben

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: JJ Jordan

Über Archetypen

Das Konzept der Archetypen gilt als interessanter Ansatz, die Entwicklungsprozesse des inneren Teams zu beschreiben. Ursprünglich geht es auf den Schweizer Psychiater und Psychologen Carl Gustav Jung zurück, einem der Gründerväter der Analytischen Psychologie. Archetypen beschreiben universale Urbilder oder Urfiguren, die mit bestimmten Emotionen, Eigenschaften und Zielen verbunden werden.
Der Psychoanalytiker Robert L. Moore widmet sich in seinen Arbeiten der Psychologie des Mannes und dessen Mannwerdung. Er greift dabei auf das Konzept der Archetypen zurück und beschreibt den männlichen Reifungsprozess als bewusste Integration individueller Schattenanteile. Sein Ziel ist die Entwicklung vom Jungen-Bewusstsein zum Mann-Bewusstsein durch innere Wandlung und Heilung hin zu einem vollkommenen, intakten, ganzen Wesen.

Vier Archetypen männlicher Kraftpotentiale:
König, Krieger, Magier und Liebhaber.

Moore stellt in seinem Ansatz den entwickelten Archetypen die noch unreifen, kindlichen voran. Aus dem „göttlichen Kind” wird im Laufe seines Reifungsprozesses der „König” werden, aus dem „jugendlichen Helden” der „Krieger”, aus dem „wissbegierigen Kind” der „Magier” und aus dem „ödipalen Kind” der „Liebhaber”. Sowohl im kindlichen Stadium als auch im erwachsenen stellt Moore den idealen Zuständen dysfunktionale, niederpolige Ausprägungen seiner Archetypen zur Seite. Die Schattenseiten dieser kindlichen und männlichen Figuren zeigen uns, welche Bedürfnisse nicht erfüllt sind und mit welchen Schutzstrategien jeweils gegengesteuert wird. Auf die Vorgänge im Enneagramm bieten die Archetypen eine zusätzliche aufschlussreiche Perspektive. (vgl. Moore / Gilette)

Vom göttlichen Kind zum König

Das göttliche Kind ist Moore zufolge als eines der Grundmuster unfertiger Männlichkeit in uns eingebettet. Es ist sowohl „allmächtig” (Mittelpunkt der Familie) als auch völlig hilflos und schwach. Im aktiven Pol erscheint er als perfektionistischer Hochstuhltyrann in der Grenzenlosigkeit seiner Ansprüche, im passiven Pol als schwächlicher Prinz ohne Elan, Neugier und Initiative.

Der König nimmt in diesem Ansatz die Rolle einer übergreifenden Instanz ein, die die Potentiale der übrigen Archetypen ordnet und in sich vereint. Er steht für Gerechtigkeit, Rationalität und Besonnenheit und sorgt für die Integration der übrigen Persönlichkeitsanteile.
Auf einem unreifen Entwicklungsstand erscheint der König in Gestalt des Tyrannen (aktiver Pol) oder in der des Schwächlings (passiver Pol).

Vom Helden zum Krieger

Der Held hat eine heroische Einstellung zum Leben. Er ist mutig, will dabei sein, will seine Kräfte messen und natürlich gewinnen. Er erfüllt das veraltete Klischee vom „klassischen” Jungen. Im aktiven Pol wird er zum Klassentyrann, spielt seine Überlegenheit aus und muss immer Mittelpunkt stehen. Im passiven Pol geht er als „Feigling” jeder Auseinandersetzung aus dem Weg und erduldet Schikanen.

Der Krieger zeichnet sich durch Körperbeherrschung, Willensstärke und Schaffenskraft aus: Er geht offensiv an die Bewältigung der Aufgaben und Schwierigkeiten des Lebens heran. Seine Klarheit im Denken macht ihn zum Strategen und Taktiker, der seine Fähigkeiten und Grenzen richtig einschätzen kann. Ist die Persönlichkeit des Kriegers nicht ausgereift, zeigt er die zerstörerischen Eigenschaften des Sadisten (aktiver Pol) oder des Masochisten (passiver Pol).

Vom wissbegierigen Kind zum Magier

Das wissbegierige Kind ist neugierig. Sein Geist ist hellwach und möchte in allem nach dem „Warum” forschen. Das wissbegierige Kind ist Quell unser Neugier und abenteuerlustigen Impulse. Im aktiven Pol zeigt es sich als altkluger Schelm, der andere täuscht und ihnen mehr oder weniger ernste Streiche spielt. Im passiven Pol wird es zum antriebslosen, begriffsstutzigen Trottel, der körperlich unbeholfen wirkt.

Der Magier ist aufmerksam und vorausschauend. Er verfügt über ein breites, fundiertes Wissen. Er steht für Erfindungsreichtum und Kreativität und kann sein Wissen in die Praxis umsetzen. In der unausgereiften Variante erscheint uns der Magier als Manipulant (aktiver Pol) oder als „Ahnungsloser” (passiver Pol).

Vom ödipalen Kind zum Liebhaber

Das ödipale Kind ist leidenschaftlich und warmherzig. Es ist offen für Beziehungen und sehnt sich nach Fürsorge und Verbundenheit, hinter der die Sehnsucht nach der unendlichen Liebe steht. Im aktiven Pol hängt es an Muttern‘s Rockzipfeln und träumt davon, die Mama für sich ganz allein zu haben. Im passiven Pol leidet es unter dem Gefühl der Vereinsamung und gibt sich seinen idealisierenden Träumen hin.

Der Liebhaber ist Symbol für pure Lebenskraft, gesunde Körperlichkeit und sinnlichen Genuss. Er steht für das Einssein mit der Welt, für Liebe, Erotik, Emotionalität und Herzlichkeit. Unausgereift begegnet uns der Liebhaber als Süchtiger (aktiver Pol) oder als Impotenter (passiver Pol).

Archetypen und andere Modelle

In Vergleich zu den Charaktertypen des Enneagramms, können wir uns die Archetypen als Persönlichkeitsanteile vorstellen, die in ihrer jeweiligen Ausprägung (Bauch, Herz oder Kopf) das Charaktermuster dominieren und formen. Moore zeigt uns in seinem Ansatz, wie sich der Entwicklungsprozess vom unreifen Jüngling zum gereiften Mann vollzieht. Betrachten wir diese Archetypen fällt auf, dass sie Ähnlichkeiten mit den Charaktermustern des Enneagramms aufweisen: Treibt den Krieger nicht zuallererst die Bauchenergie? Ist der Magier nicht auf die Kopfenergie konzentriert, während der Liebhaber auf die Herzenergie zugreift? Als ordnende Instanz der drei unterschiedlichen Teamplayer tritt der König in Erscheinung, in dem wir das „Oberhaupt” der Projektgruppe des inneren Teams vermuten dürfen.
Die unreifen, im Sinne einer reifen Männlichkeit dysfunktionalen aktiven und passiven Pole lassen uns an überentwickelten oder blockierten Energiezustände aus dem Enneagramm denken.

Der Blick auf die unreifen jungenhaften Zustände lenkt, wie schon erwähnt, unsere Aufmerksamkeit auf die unerfüllten frühkindlichen Bedürfnisse und die damit einhergehenden Schutzstrategien. Wie wir sehen, verlagern sich die kindlichen Schutzstrategien des Jungen-Bewusstseins in modifizierter Form später in die Charaktermuster des Erwachsenen.
Die Transaktionsanalyse hat uns gezeigt, dass wir im Erwachsenenleben von einem Zustand in den anderen wechseln, es sich also nicht um ein starres System von aktivem und passivem Pol zu handeln scheint.

Unsere Prägungen und Zustände wirken nicht direkt auf unsere Fähigkeit zu einem eloquenten Smalltalk. Hier tauschen wir uns oberflächlich über Nebensächlichkeiten, Tagesnachrichten oder Urlaubserlebnisse aus und haben vielleicht am Ende das Gefühl, es war ein schönes entspanntes Gespräch.

Wenn wir erfolgreiche und konstruktive Gespräche führen wollen, kommen wir nicht umhin, uns in Beziehung mit unserem Gegenüber zu setzen. Das wiederum setzt Bewusstseinsarbeit voraus, die uns in die Lage versetzt, unser eigenes Fühlen, Denken und Handeln sowohl bewusst, wohlwollend als auch selbstkritisch zu reflektieren.

Gespräche basieren am Ende auf dem Austausch von Emotionen und Gefühlen. Das kann in einer wüsten gegenseitigen Beschimpfung enden oder in ein vertrauensvolles Miteinander münden. Gegenseitiges Vertrauen und Verständnis entsteht, wenn wir in der Lage sind, unsere eigenen emotionalen Regungen in respektvolle Sätze zu kleiden und den Bezug zu unseren Bedürfnissen herzustellen (vgl. Kapitel 7).

Fazit

  • Das Konzept der Archetypen liefert uns eine plastische Metapher von der Reifung männlicher Kraftpotentiale. Das Modell des Psychoanalytikers Robert L. Moore setzt das innere Team aus König (ordnende Instanz - Oberhaupt), Krieger (Bauchenergie), Magier (Kopfenergie) und Liebhaber (Herzenergie) zusammen.
  • Damit erweitern wir unseren Horizont auf die im Enneagramm bereits vorgestellten Charaktertypen. Beide Modelle untersuchen Persönlichkeitsentwicklung aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven und gelangen doch zu ähnlichen Ergebnissen: für die Ausprägung der unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile sind die frühkindlichen Einflüsse maßgebend.

Das e-Book „Immer die richtigen Worte finden” - bewusst Kommunikationverändert deine Beziehungen

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem E-Book „Immer die richtigen Worte finden”. Nähere Informationen finden sich unter www.marzillier.com/ebooks-lesen.
Literatur & Inspiration:
Robert Moore, Douglas Gilette: König, Krieger, Magier, Liebhaber, Hamburg 2018
Fotos:
JJ Jordan via unsplash.com | https://see2believe.co.uk/work

Möchten auch Sie Ihrem Leben neue Impulse geben? Unter Services finden Sie hierzu verschiedene Möglichkeiten - Konsultationen, Sparrings oder Mentorings - je nach Thema und Bedarf! Nehmen Sie gern Kontakt auf. Lassen Sie uns herausfinden, wie ich Sie bei Ihren Vorhaben unterstützen kann!