Zweifel ausräumen

Überzeugen statt Überreden

Präsentieren, Interesse wecken und Motivieren sind Fähigkeiten, die nicht nur im Marketing und Verkauf gefragt sind, sondern auch bei allen anderen Überzeugungsprozessen. Wir „verkaufen” unsere
Überzeugungen und Werte jeden Tag - gegenüber unserem Partner, Chef oder Kind…

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: Museums Victoria (Australia), The National Library of Wales

Positive Vorstellungen übermitteln

In der Regel müssen wir niemanden von etwas Bekanntem überzeugen. Überzeugungsarbeit ist immer dann gefragt, wenn es um neue Ideen, Produkte, Fähigkeiten oder Verhalten geht.

Überzeugen ist die Fähigkeit, im Anderen eine Vorstellung entstehen zu lassen, die dieser als eigene Wahrnehmung annimmt, und die er auch für erstrebenswert hält. Dabei geht es darum, die Bedürfnisse des Anderen empathisch anzusprechen. Das ist für den, der überzeugen will, durchaus anspruchsvoll, denn unsere unstete Informationsverarbeitung sorgt dafür, dass unser Geist zwischen den aufgenommen Informationen und den eigenen Gedanken hin- und herspringt.

Wir formen vor unserem geistigen Auge permanent Vorstellungsbilder - ganz gleich, ob wir schon alle Informationen empfangen haben oder nicht. Die noch fehlenden Informationen werden mit Hilfe eigener Erfahrungen ergänzt. Sind diese Bilder erst einmal installiert, fällt es uns oft schwer, sie zu verwerfen oder gegen neue auszutauschen.

Wie wir schon an anderer Stelle gesehen haben, lässt uns das Bedürfnis nach Orientierung nach Gleichnissen suchen.

Bekommen wir im Gespräch keine in sich schlüssige Darstellung, ergänzen wir die fehlenden Informationen und sorgen damit selbst für ein geschlossenes Bild.

Wir vergleichen den Vorschlag mit unseren Erfahrungen und überprüfen, inwiefern er sich eignet, unsere Bedürfnisse besser zu erfüllen, als bisher. Da wir stets vergleichend wahrnehmen, sind wir leicht durch Bilder zu beeinflussen.

Damit wir überzeugen können, müssen wir eine Vorstellungswelt präsentieren, die für den Zuhörer erstrebenswert ist. Je detaillierter wir unsere eigenen Vorstellungen beschreiben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Vorstellungen beim Zuhörer ankommen und mit dessen Interessen übereinstimmen.
(vgl. Weisbach)

Bestehende Vorstellungen bestätigen

Zu vielen Themen hat unser Gegenüber bereits eine Meinung und vielleicht eigene Erfahrungen gemacht. Dafür erwartet er zu Recht Respekt und Anerkennung. Zeigen wir Verständnis für seine Sichtweise, bestätigen wir damit nicht nur sein Denken und Handeln, sondern auch ihn als Person. Bestätigen heißt hier nicht zustimmen, sondern nachvollziehen, dass der Andere so denkt, wie er denkt. Damit reduzieren wir seine Neigung, an seinen Vorstellungswelt festzuhalten und sie uns gegenüber zu verteidigen. Sagen wir grundsätzlich „Ja” zu seinen Ansichten, ist er unseren Argumenten leichter zugänglich. Er revanchiert sich mit einem „Ja” zu unseren Ideen und bleibt damit offen für Verbesserungen, die wir ihm vorschlagen möchten.

Gewissheiten verringern

Mit neuen Ideen stoßen wir dennoch oft auf Ablehnung. Der Andere hat das, was bei ihm als Informationen angekommen ist, abgewogen und bereits beschlossen, dass er unserem Vorschlag aus guten Gründen nicht zustimmen kann. Diese „guten Gründe” ergänzt seine Fantasie, bevor er alle Informationen von uns erhalten hat.
Die Bedürfnisse nach Sicherheit und Orientierung greifen hier in einander und verdichten sich beim ihm zur Gewissheit. Wenn wir jemanden überzeugen wollen, müssen wir seine Gewissheit, bereits über alle Informationen zu verfügen, verringern. Da unsere Informationsverarbeitung unstet und zudem auch nur oberflächlich funktioniert, bieten sich hier verschiedene Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Überzeugungsarbeit.

Mit dem Nutzen für den Anderen
argumentieren

Sprechen wir davon, was wir können und was wir verändern wollen, können wir beim Gesprächspartner vermutlich lediglich höfliche Aufmerksamkeit erwarten. Sprechen wir hingegen von den Vorteilen unseres Vorschlags für ihn selbst, gewinnen wir seine Aufmerksamkeit und sein Interesse. Wir lenken seine Aufmerksamkeit sofort auf die offensichtlichen Vorteile unseres Vorschlags. Indem wir fragen, ob unserem Gesprächspartner einzelne Vorteile unseres Vorschlags schon kennt, verringern wir seine Gewissheit, sich in der Sache ausreichend gut auszukennen. Wir regen ihn zugleich an, mehr konkrete Informationen nachzufragen und machen ihn damit neugierig auf unsere Lösung.

Vorschläge mit schlechteren Alternativen vergleichen

Finden wir eine Sache gut oder schlecht, haben wir unser Urteil mit Hilfe eines Vergleichs gefällt: Das neue Auto fährt ruhiger, als das alte. Die alte Hose hatte größere Taschen als die neue usw. Wir können uns die Erkenntnis zunutze machen, in dem wir unser Vorhaben durch ein anderes relativieren:
„Nehmen wir die längere Tour, sparen wir uns den steileren Anstieg.”

Durch die schlechtere Alternative erscheint unser Vorschlag naheliegend. In unserer Fantasie stellen wir uns vor, wie wir uns bei diesem Vorschlag fühlen werden. Je nachdem, wie es sich spontan für uns anfühlt, öffnen oder verschließen wir uns unbewusst dem Thema: Unser Unbewusstes ist ja immer schneller als unser Verstand.
Der Vergleich mit einer ungünstigeren Alternative hilft uns dabei, diesen Automatismus zu unterlaufen. Wir machen sofort klar, welchen Vorteil wir mit unserer Idee, unserem Vorschlag bieten können. Logik und Vernunft plädieren dann für den besseren Vorschlag.

Überzeugen in drei Schritten

Wie wir gesehen haben, bilden wir uns zu allen möglichen Themen Vorstellungen und wollen uns diese Vorstellungsbilder bestätigen,
indem wir das Neue mit bereits Vertrautem vergleichen und einordnen. Der folgende Ablauf kann uns dabei helfen, Vorurteile und „Gewissheiten” abzubauen und unseren Gesprächspartner von einem neuen, alternativen Verfahren zu überzeugen: (vgl. Weisbach)

Kleiner Exkurs:
Schlussfolgern und Argumentieren

Wollen wir von einer Idee überzeugen, brauchen wir Argumente, die den Anderen nützlich erscheinen und das grundsätzliche Ziel bestätigen. Indem wir argumentieren (von Argumentum, lateinisch für Beweismittel), greifen auf eine gemeinsam anerkannte Aussage (zum Beispiel auf ein gemeinsames Ziel) zurück und behaupten, dass wir einen Lösungsvorschlag haben. Hierfür bieten einen Nachweis an, der den Anderen plausibel erscheint.

Logisch Schlussfolgern

Wenn wir Schlussfolgerungen ziehen, verknüpfen wir eine oder mehrere Prämissen miteinander und ziehen daraus einen logischen Schluss (vgl. Franz):
Prädikatsprämisse (PP): Alle Menschen (M) sind sterblich (P).
Subjektprämisse (SP): Alle Deutschen (S) sind Menschen (M).
Konklusion (K): Alle Deutschen (S) sind sterblich (P).

In diesem als Syllogismus bekannten logischen Schluss leiten wir aus zwei Prämissen eine Schlussfolgerung ab. In der Prädikatsprämisse verbinden wir einen Mittelbegriff (M) mit einem Prädikat (P). In der Subjektprämisse verbinden wir nun ein Subjekt (S) mit dem Mittelbegriff. In der Konklusion verknüpfen wir das Subjekt mit dem Prädikat.

Unsere Schlussfolgerungen sind gültig (valid), wenn sie:
1) formal-logisch korrekt sind,
2) sich aus Prämissen ergeben, die ihrerseits wahr sind und
3) die vorkommenden Ausdrücke im selben Sinn verwenden.
Fehlt eine der Voraussetzungen kann allerdings auch etwas Unsinniges beim logischen Schlussfolgern herauskommen (vgl. Franz):

SP: Hamburg (S) ist eine deutsche Stadt (M).
PP: Eine deutsche Stadt (M) ist eine Folge von drei Worten (P).
K: Hamburg (S) ist eine Folge von drei Worten (P).
oder:
PP: Füchse (M) haben einen roten Schwanz (P).
SP: Sokrates (S) ist ein Fuchs (M).
K: Sokrates (S) hat einen roten Schwanz (P).

Obwohl die Schlussfolgerungen in beiden Fällen formal-logisch korrekt sind, sind sie doch falsch, weil die Mittelbegriffe in beiden Beispielen jeweils in unterschiedlichem Sinn verwandt wurden.
Das heißt, bei logischen Schlüssen sind wir aufgefordert, die aufgestellten Prämissen und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen gründlich zu prüfen. Nun hat diese recht sperrige Art zu kommunizieren nicht viel mit unseren Alltagsgesprächen zu tun. Meist denken wir beim Reden an unsere Prämissen, sprechen sie aber gar nicht aus.

Prämissen in die Argumentation einbauen

Der Syllogismus zeigt uns, worauf es beim erfolgreichen Argumentieren ankommt: auf eben diese unausgesprochenen, nur mitgedachten Prämissen. Wollen wir den Anderen für unsere Idee gewinnen, bauen wir diesen Prämissen in unsere Argumentation mit ein. Da jeder stets darum bemüht ist, seine Vorstellungen zu bestätigen, setzt eine kluge Argumentation genau hier an und geht auf dieses Bedürfnis ein. Wir lassen also Aussagen in die Diskussion einfließen, die der Andere für wahr hält und denen er zustimmt. Damit schaffen bewusst gute Voraussetzungen dafür, dass wir den Anderen mit unserem Vorschlag überzeugen können. (vgl. Werner/Tödter)

Deduktion und Induktion

Wenn wir unsere Behauptung mit Hilfe logischer Schlüsse beweisen wollen, können wir vom Allgemeinen auf einen speziellen Fall schließen: „Wenn alle anderen Nudeln im Topf gar sind, sollte es diese da auch sein” (Deduktion) … oder aus einem Spezialfall eine allgemeine Gesetzmäßigkeit herauslesen: „Wenn dieser Apfel inzwischen reif ist, werden es auch alle anderen sein.” (Induktion)
Wie wir schon gesehen haben, müssen Bedingungen erfüllt sein, damit unser Beweis stichhaltig ist: Der Apfel muss im gleichen Garten, wie die anderen - am besten am gleichen Baum - wachsen. Die Nudeln sollten alle zur gleichen Zeit ins Wasser geworfen worden sein…

Rhetorik und Logik sind spannende Themen, besonders dann, wenn man berücksichtigt, dass die Mehrzahl der logischen Schlüsse, falsch ist (vgl. Franz). Hilfreich ist hingegen eine klare Struktur unserer Argumente, die unseren Adressaten darauf aufmerksam macht, von welchen Prämissen wir ausgehen. Wenn wir nebenbei sagen „Ich denke, wir können in fünf Minuten Essen. ”, sprechen wir unsere Prämissen nicht aus. Wir überlassen es dem Anderen, sich selbst Vorstellungen davon zu machen, was wir als Begründung für unsere Behauptung ins Feld führen könnten.

Fazit

  • Gespräche fließen, wenn die Beteiligten aus dem Erwachsenen-Ich mit einander reden. Gesprächsanreger sorgen dafür, dass wir auf Augenhöhe miteinander sprechen können. Unser gemeinsames Anliegen ist, dass wir uns gegenseitig bei der Lösung von Aufgaben und Problemen zu unterstützen.
  • Die wichtigsten Gesprächsanreger sind: Umschreiben, mit eigenen Worten wiederholen, Zusammenfassen, Klären - auf den Punkt bringen, Einschränkende Wiederholung, Übertreibende Bestätigung, In Beziehung setzen, Nachfragen, Weiterführen und Denkanstoß geben, Wünsche herausarbeiten, Gefühle ansprechen
  • Gesprächsbremsen werden aus dem Eltern-Ich gesandt. Ich demonstriere Überlegenheit, indem ich Anweisungen erteile, Drohungen ausspreche, Vorwürfe mache oder bewerte (kritisches Eltern-Ich). Auch beim Trösten und Herunterspielen nehme ich die Sorgen des Anderen nicht ernst, sondern konfrontiere ihn mit meiner Sicht auf die Dinge. Damit stelle ich bewusst oder unbewusst seine Urteilsfähigkeit und Lösungskompetenz in Frage (helfendes Eltern-Ich).
  • Die wichtigsten Gesprächsbremsen sind: Befehlen, Überreden, Warnen und Drohen, Vorwürfe machen, Bewerten, Herunterspielen, Ironie und Spott, Lebensweisheiten, Von sich reden, Ursachen aufzeigen, Hintergründe deuten, Ausfragen, Ratschläge erteilen
  • Die Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit mit Gesprächsanregern und -bremsen sind hilfreich, um Gespräche in die gewünschte Richtung zu lenken. Natürlich sind sie auch dazu geeignet, den eigenen inneren Monolog noch bewusster zu steuern.

Das e-Book „Immer die richtigen Worte finden” - bewusst Kommunikationverändert deine Beziehungen

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem E-Book „Immer die richtigen Worte finden”. Nähere Informationen finden sich unter www.marzillier.com/ebooks-lesen.
Literatur & Inspiration:
Thom Bond: Mitgefühl als Weg, Paderborn 2023, www.mitgefuehl-als-weg.com
Christian-Rainer Weisbach: Professionelle Gespächsführung, München 1997
Fotos: Museums Victoria via unsplash.com, Llyfrgell Genedlaethol Cymru / The National Library of Wales via unsplash

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