Vertrauen wecken

Gespräche fließen lassen

In früheren Jahrzehnten bestimmte wohl ein robuster Umgang den Verlauf vieler Gespräche. Entsprechend starr und engherzig muss das Klima damals gewesen sein. Heute wissen wir, welche Bremsen Gespräche zum Erliegen bringen und welche Anreger Nähe und Vertrauen schaffen.

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: Museums Victoria (Australia), The National Library of Wales

Mitgefühl stärkt Vertrauen

Warum sollte ich jemandem Mitgefühl entgegenbringen, wenn ich selbst von ihm keins bekomme? Die Antwort ist einfach: Mitgefühl zu zeigen, ist ansteckend! Wahrscheinlich hat auch jeder von uns eine Vorstellung davon, was es heißt, mitfühlend zu sein. Ein anderes Wort für Mitgefühl ist Anteilnahme. Mitgefühl lässt Vertrauen entstehen, wo vorher Mißtrauen herrschte. Der Grund dafür ist wieder einfach: Gesprächspartner, denen wir Mitgefühl entgegenbringen, kommen zu dem Schluß, dass sie in ihrem Fühlen, Denken und Handeln bestätigt werden und schöpfen Vertrauen.

Auf dem Weg zu mehr Mitgefühl ist das bewusste Wahrnehmen und Zulassen der eigenen Gefühle ein erster Schritt. So gelingt es leichter, auch die Gefühle des Gesprächspartners nachzuvollziehen.

Der Gedanke, dass unser Gesprächspartner sich beim Äußern seiner Vorstellungen ein Bedürfnis erfüllen möchte, hilft uns widerum, das Gespräch im Fluß zu halten. Fragen wir nach dessen Motiven, erkennen wir die dahinter stehenden Bedürfnisse des Anderen. Damit fällt es uns leichter, selbst einen klaren Standpunkt zu beziehen.

Wann fließen Gespräche,
womit bremse ich sie aus?

Ein paar unauffällige aber folgenreiche Formen der Gesprächsführung sollen hier im Fokus stehen. Es geht um Äußerungen, die entweder zu einem gewünschten, konstruktiven Ergebnis führen (Anreger) oder Gespräche zum Erliegen und Scheitern bringen (Bremsen). Mittel zum Zweck ist in beiden Fällen das Maß an Mitgefühl, das ich meinen Gesprächspartnern entgegenbringen möchte.

Gesprächsanreger

In der Kategorie „Anreger” findet sich alles wieder, mit dem wir unserem Gesprächspartner signalisieren, dass wir ihm zuhören und Anteil an seinen Gedanken und Gefühlen nehmen. Mein Gesprächspartner fühlt sich verstanden, bestätigt und ermutigt, das Gespräch fortzusetzen. Im Gegensatz zu den Gesprächsbremsen verzichten wir darauf, eigenen Gedanken einzuflechten.

Wir konzentrieren uns ausschließlich auf das, was der Andere uns mitteilen möchte und halten uns mit jeglichem Ratschlag, Widerspruch oder sonstiger Kritik konsequent zurück. Allen Anregern ist gemein, dass sie aus dem Erwachsenen-Ich abgesandt werden.

Schauen wir uns hier ein paar gängige Formen an:

Umschreiben, Zusammenfassen

Indem ich das Gehörte mit eigenen Worten wiederhole, zeige ich nicht nur, dass ich zugehört habe, sondern auch dass ich die wesentlichen Aussagen verstanden habe. Die Herausforderung besteht darin, eigene Meinungen, Bewertungen oder gut gemeinte Ratschläge zurückzuhalten. Ziel des umschreibenden Zuhörens ist das Verstehen der Ansichten meines Gesprächspartners. Auf diese Weise ermuntere ich ihn, das Gespräch fortzusetzen.

Einschränkende Wiederholung

Bin ich mit Ansichten konfrontiert, die ich nur ungern wiederholen möchte, weil ich den geäußerten Standpunkt nicht unnötig zu verfestigen möchte, kann ich Formulierungen wählen, die eine starre Zustandsbeschreibung vermeiden. Formulierungen wie „noch”, „im Moment”, „jetzt”, „gerade”, „zur Zeit”, „heute” etc. relativieren den augenblicklichen Status als vorübergehend. Anweisungen wie „müssen”, „sollen” oder „nicht dürfen” kann ich durch verträglichere, die individuelle Freiheit weniger einschränkende Worte wie „können”, „wollen” oder „möchten” ersetzen.

Übertreibende Bestätigung

In besonders aussichtslosen Fällen von starrer Meinung kann ich die Situation durch eine kleine Provokation auflockern. Das ist angezeigt, wenn Standpunkte als alternativlos oder unverrückbar verkündet werden. Beim Zusammenfassen kann ich die Absolutheit auf die Spitze treiben, indem ich Worte wie „nie”, „undenkbar”, „völlig ausgeschlossen”, „weder jetzt noch später”, „ununterbrochen” etc. nutze und damit die wirklichkeitsfremde Endgültigkeit der Aussagen betone. Ich provoziere so den Widerspruch meines Gesprächspartners. Er relativiert die Zusammenfassung vermutlich, indem er erklärt und richtig stellt. In dieser Situation bieten sich neue Ansatzpunkte für die Fortsetzung unseres Gesprächs.

Nachfragen

Im Gegensatz zum Ausfragen bei den „Gesprächsbremsen” beziehen sich meine Fragen hier ausschließlich auf das, was mein Gesprächspartner bereits mitgeteilt hat. Beim Nachfragen können wir um ein Beispiel für die Aussage bitten oder nach einer Erläuterung unklarer Zusammenhänge fragen. Damit signalisieren wir, dass wir uns um Verständnis bemühen. Während es beim Ausfragen darum geht, sich ein Bild vom Gesamtzustand des Anderen zu machen, geht es beim Nachfragen darum, eine einzelne Aussage zu verstehen.

Gefühle ansprechen

Dank meines Einfühlungsvermögens gelingt es mir, die hinter den Worten stehenden Gefühle meines Gesprächspartners mitzufühlen und in eigenen Worte zu fassen. Im ersten Schritt fragen wir nach, ob wir das, was wir wahrnehmen, richtig interpretieren. Haben wir das Gefühl richtig dekodiert, können wir uns nach dem dahinterstehenden Bedürfnis erkundigen. Das gelingt nicht immer ad hoc, sondern braucht gelegentlich mehrere Zwischenschritte, bis wir beim Kern des Problems ankommen. Es geht hier also weniger darum, das Gesagte noch einmal mit eigenen Worten zu wiederholen, sondern vielmehr die dahinter stehenden Gefühle und Bedürfnisse zu erkunden.

Gesprächsbremsen

Alle „Gesprächsbremsen” werden aus dem „Eltern-Ich” ausgesandt. Wie wir gesehen haben, spielt die Beziehungsebene in der Kommunikation eine entscheidende Rolle. Gibt es hier ein Gefälle, entstehen schnell Probleme.

Ein Merkmal ist allen Gesprächsbremsen gemein. Indem ich in der Rolle des Eltern-Ich meine Überlegenheit demonstrieren muss, verletze ich die psychischen Grundbedürfnisse nach Anerkennung und Selbstbestimmung meines Gesprächspartners.

Schauen wir uns auch hier ein paar gängige Formen an:

Überreden, Warnen und Drohen

Indem ich mein Gegenüber dazu überreden will, freiwillig das „Richtige” zu tun. Dazu schlüpfe ich ins helfende Eltern-Ich. Gelingt es mir trotz aller Bemühungen nicht, den Anderen zu bewegen, wechsle ich ins kritische Eltern-Ich und greife zu einem schärferen Schwert: Ich male Konsequenzen aus, wenn nicht geschieht, was ich fordere und setze dabei bewusst auf Schwachstellen des Gesprächspartners.

Vorwürfe

Ich beklage mich bei meinem Gesprächspartner und halte ihm sein Fehlverhalten vor. Damit entlaste ich mich zugleich von jeglicher Verantwortung. Ich inszeniere meine Überlegenheit, indem ich den Anderen  auffordere, sich auf das zu konzentrieren, was nicht ist. Er soll über Argumente nachdenken, die sein Verhalten rechtfertigen. Vorwürfe nagen unterschwellig am Selbstwertgefühl.

Bewerten

Beim Bewerten lege ich meine Werte als Maß aller Dinge zugrunde, ohne vorher darüber zu verhandeln. Damit bringe zugleich meine Geringschätzung gegenüber meinem Gesprächspartner zum Ausdruck. Es spielt keine Rolle, ob ich etwas als gut oder schlecht, moralisch oder unmoralisch, leicht oder schwer einschätze. Wichtig ist der Eindruck, dass ich meinen Maßstab als allgemeinverbindlich darstelle. Besonders bei lobender Bewertung fällt es dem Gelobten schwer, sich dem Einfluss des Lobenden zu entziehen.

Herunterspielen

Ich beurteile, ob etwas eine große oder kleine Bedeutung hat. Auch hier erscheint mein Maßstab allgemeinverbindlich, ohne dass ich einen Nachweis dafür erbringe. Mein helfendes Eltern-Ich bagatellisiert die unangenehme Erfahrung meines Gegenübers und will sie damit relativieren, um so den Ärger zu verkleinern. Das geht jedoch am eigentlichen Bedürfnis des Geschädigten vorbei, denn dieser will seine Gefühle wahrgenommen und sich in seinen Ärger verstanden wissen.

Ironie und Spott

Ein ähnliches Gefühl löse ich aus, wenn ich das Anliegen meines Gesprächspartners nicht ernst nehme und ihm stattdessen mit Spott und Ironie begegne. Auch hier lege ich meinen eigenen Maßstab an und entscheide für den Anderen mit, was wichtig oder ernst zu nehmen ist und was nicht. Ich erwarte dabei, dass der Andere gute Miene zum bösen Spiel macht und sein Problem von der humorvollen Seite betrachtet.

Von sich reden

Wenn ich die Diskussion mit eigenen Erfahrungen bereichern will, mag mein Ziel sein, mich mit dem Anderen zu verbinden. Hier kann es jedoch leicht passieren, dass mir meine Erfahrungen viel bedeutsamer erscheinen, als die des Anderen. Damit verweigere ich abermals die Bereitschaft, mich mit den Themen meines Gesprächspartners auseinanderzusetzen.

Ursachen aufzeigen, Hintergründe deuten

Interpretiere ich das Verhalten meines Gesprächspartners und mache ihm dabei seine Beweggründe klar, setzte ich mich mit meiner vermeintlichen Menschenkenntnis in Szene. Ich schlüpfe in die Eltern-Rolle mit der guten Absicht, Licht ins Dunkel zu bringen. Auch wenn ich richtig liegen sollte, muss mein Gesprächspartner für die Hintergründe nicht unbedingt offen sein. Außerdem beraube ich ihn der Chance, die Situation selbst zu durchschauen.

Ausfragen

Mit meinen Fragen gebe ich dem Befragten einen engen Antwortkorridor vor, in dem er lediglich mit „Ja” oder „Nein” antworten kann. Durch meine Fragen strukturiere ich das Thema und setze die Schwerpunkte. Aus dem Eltern-Ich heraus signalisiere ich damit, dass ich kein Vertrauen in die Lösungskompetenz meines Gegenübers habe. Durch bedrängende Warum-Fragen verlange ich vom Anderen vielmehr eine Begründung oder Rechtfertigung für sein Verhalten. Ich unterstelle damit auch, dass er sich selbst nicht im Klaren über seine Motive ist.

Ratschläge erteilen

Wenn ich Ratschläge erteile, offenbare ich mein geringes Vertrauen in die Lösungskompetenz des Anderen. Wieder schlüpfe ich ins Eltern-Ich, indem ich eine Problemlösung vorschlage, ohne mich vorher zu erkundigen, ob der Andere überhaupt an meiner Empfehlung interessiert ist. Ich demonstriere durch meine vorgebliche Kompetenz Überlegenheit und verletze damit das Bedürfnis meines Gegenübers nach Selbstbestimmung und Kontrolle.

Jeder kennt Gesprächsanreger und -bremser aus eigener Praxis als Anwender oder Adressat. Hier ging es darum, unser Bewusstsein dafür zu stimulieren, wie die einzelnen Kommunikationsformen beim Adressaten ankommen und welche Wirkung sie bei ihm entfalten.

Fazit

  • Gespräche fließen, wenn die Beteiligten aus dem Erwachsenen-Ich mit einander reden. Gesprächsanreger sorgen dafür, dass wir auf Augenhöhe miteinander sprechen können. Unser gemeinsames Anliegen ist, dass wir uns gegenseitig bei der Lösung von Aufgaben und Problemen zu unterstützen.
  • Die wichtigsten Gesprächsanreger sind: Umschreiben, mit eigenen Worten wiederholen, Zusammenfassen, Klären - auf den Punkt bringen, Einschränkende Wiederholung, Übertreibende Bestätigung, In Beziehung setzen, Nachfragen, Weiterführen und Denkanstoß geben, Wünsche herausarbeiten, Gefühle ansprechen
  • Gesprächsbremsen werden aus dem Eltern-Ich gesandt. Ich demonstriere Überlegenheit, indem ich Anweisungen erteile, Drohungen ausspreche, Vorwürfe mache oder bewerte (kritisches Eltern-Ich). Auch beim Trösten und Herunterspielen nehme ich die Sorgen des Anderen nicht ernst, sondern konfrontiere ihn mit meiner Sicht auf die Dinge. Damit stelle ich bewusst oder unbewusst seine Urteilsfähigkeit und Lösungskompetenz in Frage (helfendes Eltern-Ich).
  • Die wichtigsten Gesprächsbremsen sind: Befehlen, Überreden, Warnen und Drohen, Vorwürfe machen, Bewerten, Herunterspielen, Ironie und Spott, Lebensweisheiten, Von sich reden, Ursachen aufzeigen, Hintergründe deuten, Ausfragen, Ratschläge erteilen
  • Die Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit mit Gesprächsanregern und -bremsen sind hilfreich, um Gespräche in die gewünschte Richtung zu lenken. Natürlich sind sie auch dazu geeignet, den eigenen inneren Monolog noch bewusster zu steuern.

Das e-Book „Immer die richtigen Worte finden” - bewusst Kommunikationverändert deine Beziehungen

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem E-Book „Immer die richtigen Worte finden”. Nähere Informationen finden sich unter www.marzillier.com/ebooks-lesen.
Literatur & Inspiration:
Thom Bond: Mitgefühl als Weg, Paderborn 2023, www.mitgefuehl-als-weg.com
Christian-Rainer Weisbach: Professionelle Gespächsführung, München 1997
Fotos: Museums Victoria via unsplash.com, Llyfrgell Genedlaethol Cymru / The National Library of Wales via unsplash

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