Prägungen hinterfragen

Transaktionsanalyse
Zurück ins Ur-Vertrauen!

Die Transaktionsanalyse erforscht die Entwicklung von Persönlichkeiten. Unsere frühkindlichen Prägungen schlagen sich in späterem Rollenverhalten nieder und haben damit auch entscheidenden Einfluss auf unsere Kommunikation.

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: Nate Johnston

Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von dem kanadisch-US-amerikanischen Psychiater Dr. Eric Berne entwickelt. Sie untersucht und analysiert die zwischenmenschliche Kommunikation. Als „Transaktion” wird ein Informationsausstausch zwischen Menschen verstanden.

Berne verknüpfte in seiner Theorie die Haltungen und Konzepte der humanistischen Psychologie mit Denkweisen der Tiefenpsychologie und mit verhaltenstherapeutischen Methoden zu einem eigenständigen Ansatz.

In der Folgezeit hat sich die Theorie der Transaktionsanalyse kontinuierlich weiterentwickelt. Inzwischen haben sich verschiedene Richtungen wie zum Beispiel „Neuentscheidungstherapie” (R. Goulding), „Neubeelterung” (J.L. Schiff) oder Integrative Psychotherapie (R.G. Erskine) etabliert.


Dr. Eric Berne (10.05.1910 - 15.07.1970) „Erfinder” der Transaktionsanalyse

Frühe Prägungen - Vier Grundüberzeugungen

Die Transaktionsanalyse vertritt die Auffassung, dass wir als Babys und später als Kleinkinder aus der Wahrnehmung unserer Bezugspersonen bestimmte Lebensanschauungen über uns selbst und die Menschen in unserem Umfeld entwickeln. Es werden vier Grundüberzeugungen unterschieden:

1. Ich bin O.K. - Du bist O.K.

Im Mutterleib herrscht für den Fötus Sicherheit, Geborgenheit und eine perfekte Rund-Um-Versorgung. Hier er fühlt sich sicher und entwickelt Ur-Vertrauen, denn es ist für alles gesorgt: Ich bin O.K. - Du bist O.K.

2. Ich bin nicht o.k.- Du bist O.K.

Aus dem sicheren Cocon des Mutterleibes in die raue Wirklichkeit geworfen, stellt sich natürlich die Frage: Bin ich hier gut aufgehoben? Im ersten Lebensjahr schwankt die Stimmung der jungen Erdenbürger zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Die Eltern sind normaler Weise stolz und glücklich. Es wird gestrahlt und gestreichelt. Demgegenüber ist die Selbsteinschätzung des Babys in der ungewohnten Umgebung und den übermächtigen Eltern gegenüber unsicher. O.K.-Gefühle wechseln mit Nicht-O.K.-Gefühlen. Die Ungewissheit und die Abhängigkeit von den Bezugspersonen führt schließlich zu der Überzeugung: Ich bin nicht O.K.

3. Ich bin nicht O.K. - Du bist nicht O.K.

Gegen Ende des ersten Lebensjahres wandelt sich die Lebenseinstellung des Babys. Es beginnt zu Krabbeln und später zu Laufen. Es erkundet die Welt um sich herum, die Babyzeit endet. Die Eltern zeigen sich auch von ihrer besorgten, behütenden Seite. Das liebevolle Streicheln wird seltener. Ermahnungen und Verbote nehmen zu. Daraus machen die jungen Erdenbürger: Du bist nicht O.K.!

4. Ich bin O.K. - Du bist nicht O.K.

Lässt die Fürsorge der Eltern im Verlauf der Zeit weiter nach, wird das Kind vernachlässigt, bestraft oder gar terrorisiert, ändern Kinder ihre Einstellung den Eltern gegenüber: „Ich bin O.K. - Du bist nicht O.K.” wird für sie zur lebensrettenden Entscheidung. In späteren Jahren sind Menschen mit dieser Grundhaltung jedoch nicht in der Lage, Situationen oder ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Sie leiden an „Streichelhunger” und rechtfertigen ihr Verhalten, denn „Schuld” haben immer die anderen.

Auf eine der drei letzten, negativen Grundeinstellungen legen sich die meisten von uns spätestens im dritten Lebensjahr fest. Das ist für uns eine recht unglückliche Entscheidung, denn im weiteren Lebensverlauf werden wir unbewusst dafür sorgen, dass wir immer wieder eine Bestätigung für unsere Entscheidung bekommen. Damit sitzen wir im Mangelzustand auf absehbare Zeit fest!


Kinder entwickeln aus dem Verhalten der Eltern ihr eigenes Selbstbild

Die Spiele der Erwachsenen

Wenn wir einen latenten Mangelzustand bei den meisten von uns unterstellen, liegt es nahe, dass wir diese Mangelgefühle ausagieren müssen. Dazu brauchen wir Sparring-Partner, die sich auf ein „Spiel” mit uns einlassen.

In einem am 16. Juli 1970 veröffentlichten Nachruf auf Dr. Eric Berne heißt es in der New York Times:

„In einem der populärsten Bücher, das je von einem Psychiater geschrieben wurde, behauptete Dr. Berne, dass Menschen ihre sozialen Verpflichtungen üblicherweise dadurch erfüllen, dass sie andere unbewusst zu Spielen herausfordern. Ein Spiel ist im Sinne Dr. Bernes die Gesamtheit der Manöver, die eine Person anwendet, um eine andere Person zu erreichen, wenn praktische Umstände oder psychologische Probleme eine direkte Annäherung verhindern.” Murray Illson, The New York Times

Die „praktischen Umstände oder psychologischen Probleme” dürften vor allem darin bestehen, dass wir uns unseres Mangels gar nicht bewusst sind oder ihn nicht offen ansprechen wollen.

Thomas A. Harris, ein enger Mitarbeiter Eric Bernes, bezeichnet diese Manöver als „seelischen Geschäftsabschluss” zwischen den Akteuren: Der eine bietet ein bestimmtes Verhalten an, indem er zum Beispiel in die Rolle des besorgten Vaters schlüpft. Der andere antwortet aus der Rolle des schuldbewusstes Kindes heraus und reagiert damit adäquat auf die ihm angebotene Rolle.

Die drei Ich-Zustände im „Spiel”

Die Transaktionsanalyse beschreibt drei Ich-Zustände, mit denen wir uns am Spiel beteiligen. Das Motiv für unser Spiel ist die Sehnsucht nach der Art von Zuwendung, wir im Kleinkindalter von den Eltern erfahren haben. Hierzu schlüpfen in entsprechende Rollen, die wir unterschiedlich ausagieren:

Kind-Ich

Im Kind-Ich-Modus nehmen wir die Position des unbefangen-spontanen, angepassten oder trotzigen Kleinkindes ein. Im spontanen Kind-Ich gehen wir unbefangen in die Situation, ohne die Konsequenzen unseres Handelns zu bedenken. Ins angepasste Kind-Ich schlüpfen wir, wenn wir uns künstlich klein machen und Verständnis oder Unterstützung erbitten, die uns eigentlich nicht zusteht.
Im trotzigen Kind-Ich-Modus widersetzen wir uns vorgegebenen Regeln und betonen unsere Autonomie. Unser grundlegendes Bedürfnis ist, dass wir uns von jeglichem Reglement und jeder Bevormundung distanzieren und unsere natürliche Naivität ausleben.

Eltern-Ich

In die Rolle des Eltern-Ich schlüpfen wir, wenn wir unsere Kompetenz, Überlegenheit oder auch unsere Fürsorglichkeit herausstellen möchten. Im Lauf seiner Entwicklung übernimmt das Kleinkind die elterlichen Werte, Normen und Regeln ins eigene Repertoire. Die bevormundende, reglementierende Seite elterlicher Erziehung wird dabei zum kritischen Eltern-Ich, die zärtlich-behütende Seite zum helfenden Eltern-Ich. Die Vorgaben der Eltern gehen irgendwann in „Fleisch und Blut” über und werden fortan als eigene Normen und Werte betrachtet.

Erwachsenen-Ich

Neben die kindliche und elterliche Stimme tritt im Laufe der Entwicklung eine weitere Stimme: die des Erwachsenen-Ich. Im Erwachsenen-Ich haben wir eigene Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen gesammelt, wir haben einen eigenen Geschmack, eine eigene Meinung, eine eigene Lebensphilosophie entwickelt. Im Erwachsenen-Ich prüfen wir die möglichen Folgen unseres Verhaltens, indem wir abschätzen, welche Konsequenzen sich ergeben können.

Keiner der drei Zustände ist für sich gesehen besser oder schlechter. Unproblematisch ist es, wenn die vom einen angebotene Rolle vom anderen angenommen wird (komplementäre Transaktion): beide sprechen im sorglos-spontanen Kind-Ich oder bestätigen sich gegenseitig im Eltern-Ich.

Probleme treten auf, wenn ein Partner aus dem kritischen Eltern-Ich heraus das angepasste Kind-Ich des Anderen ansprechen möchte und dieser darauf trotzig reagiert (Nicht-komplmentäre Transaktion).

Gesprächsangebote aus dem Eltern-Ich enthalten Wertungen über den Anderen. Egal ob die Wertungen positiv oder negativ ausfallen, basieren diese Einschätzungen nicht auf einer reellen Abwägung, sondern auf einem alten Reflex, der sich automatisch einstellt.


Das stärkste Motiv für die „Spiele der Erwachsenen” ist die Sehnsucht nach Zuwendung

O.K. oder Nicht O.K.? - Deine Entscheidung!

Das „Ich bin nicht o.k.” kommt einer inneren Bankrott-Erklärung gleich:
Während wir die Fehler und Mängel im Stillen bei uns suchen, verzichten wir  auf den Offenbarungseid nach außen und verstricken unsere Mitmenschen lieber in Spielchen. So bleiben wir unentdeckt und können ab und zu einen Pyrrhussieg erringen.
Auch die Einstellung „Ich bin O.K. - Du bist nicht O.K.” führt uns, wie wir gesehen haben, nicht ins verhoffte Glück. Wir delegieren die Schuld nach außen und sehnen uns zugleich nach Streicheleinheiten - also Aufmerksamkeit und Gehör für unsere Belange.

Die Lösung ist: Ich bin O.K. - Du bist O.K.

Aus dem hilflosen Bewohner des Mutterleibs hat sich inzwischen ein mündiger Bürger entwickelt, der über sein Denken und Handeln bewusst entscheiden kann. Das setzt eine bewusste Entscheidung voraus, denn es gelingt nicht auf Basis der in der Kindheit geprägten Gefühle.

Auf dem Weg dorthin können wir nach den Ursachen für unsere „Nicht-O.K.-Glaubenssätze” fragen. Warum hat die für uns prägende Bezugsperson so und nicht anders gehandelt? Welche Rückschlüsse auf mich als Person sind hieraus zulässig und vor allem auch hilfreich?

Das wird den meisten von uns im Normalzustand bei klarem Verstand gelingen. Wichtig ist jedoch, auch im Ausnahmezustand (Angst, Wut, Ohnmacht, Panik) die „Stopptaste” zu finden, wenn die Gefahr besteht, in alte Glaubenssätze abzugleiten und der Angst vor der Angst zu erliegen.

Die Transaktionsanalyse zeigt dysfunktionale Muster auf und gibt uns die Möglichkeit, diese unbewussten Reaktionsmuster und deren Ursachen zu analysieren. Wir können entscheiden, bewusster mit Gefühlen souveräner umzugehen und problematisches Verhalten zu verändern.

Fazit

Die Transaktionsanalyse ist ein Konzept zur Erforschung von Persönlichkeitsentwicklung. Sie analysiert zwischenmenschliche Kommunikation und ist außerdem eine klinische Methode der Psychotherapie. Sie wurde von dem kanadisch-US-amerikanischen Psychiater Dr. Eric Berne in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entwickelt und ist in den nachfolgenden Jahren kontinuierlich weiterentwickelt worden.

Schon im frühen Kindesalter bilden wir Grundüberzeugungen über uns selbst und unsere Bezugspersonen (Eltern und andere Personen aus dem direkten Umfeld) heraus. In der Transaktionsanalyse werden vier Überzeugungen unterschieden:
1. Ich bin o.k. - Du bist o.k.
2. Ich bin nicht o.k. - Du bist o.k.
3. Ich bin nicht o.k. - Du bist nicht o.k.
4. Ich bin o.k. - Du bist nicht o.k.
Diese früh erworbenen Grundüberzeugungen begleiten uns ein Leben lang und bestimmen auch die Art, wie wir mit uns selbst und anderen Menschen kommunizieren.

Die zwischenmenschliche Kommunikation analysiert die Transaktionsanalyse anhand von Ich-Zuständen. Abhängig von Situation und Konstellation der Gesprächspartner schlüpfen alle Beteiligten entweder in das Kind-Ich, Eltern-Ich oder Erwachsenen-Ich. Das Gespräch gestaltet sich unproblematisch, wenn der angesprochene Partner die angebotene Rolle annimmt. Konflikte entstehen, wenn der Partner die ihm zugedachte Rolle ausschlägt.

Die Transaktionsanalyse ist ein wirkungsvolles Konzept, mit dem wir unbewusste Reaktionsmuster analysieren und verändern können.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem E-Book „Immer die richtigen Worte finden”. Nähere Informationen finden sich unter www.marzillier.com/ebooks-lesen.
Literatur & Inspiration:
Eric Berne: Spiele der Erwachsenen, Reinbek bei Hamburg 2002
Thomas A. Harris: Ich bin o.k. Du bist o.k., Reinbek bei Hamburg 1998
Christian-Rainer Weisbach: Professionelle Gespächsführung, München 1997
Murray Illson: Dr. Eric Berne Dies on Coast; Author of ‘Games People Play’, The New York Times 16.07.1970
Fotos: Nate Johnston via unsplash, Porträt Eric Berne (1969) via wikipedia.org, (Autor/-in unbekannt)

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